Pflichtteil einklagen § Voraussetzung, Ablauf & Kosten
- Lesezeit: 9 Minuten
- 15 Leser fanden diesen Artikel hilfreich.
Erbrechtsinfo Redaktion
- 1. Ort in Suchfeld eingeben
- 2. Anwaltsprofile vergleichen
- 3. Anwalt auswählen
- 4. Unverbindliche Anfrage stellen
- Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen und der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen, so diese nicht rechtmässig enterbt wurden oder auf den Pflichtteil verzichtet haben.
- Für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs müssen die Erben Auskunft über das Nachlassvermögen erteilen und ggf. zu Lebzeiten erfolgte Schenkungen des Erblassers offenlegen.
- Während des Verlassenschaftsverfahrens können die Erben ein Pflichtteilsübereinkommen schließen und so die Pflichtteilsansprüche einvernehmlich regeln.
Rechtslage beim Pflichtteil einklagen
Als Pflichtteilberechtigter kann es unter Umständen nötig sein, den Pflichtteil einzuklagen. Grundsätzlich pflichtteilsberechtigt sind laut § 757 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) die Nachkommen und der Ehegatte oder eingetragene Partner des Verstorbenen. Diesen steht jedoch nur dann ein Pflichtteil zu, wenn diesen gemäß § 758 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) bei gesetzlicher Erbfolge ein Erbrecht zustünde, sie nicht enterbt wurden und nicht auf den Pflichtteil verzichtet worden ist. Nach denselben Voraussetzungen können die Nachkommen einer erbunfähigen, enterbten oder vorverstorbenen Person einen Pflichtteil einklagen.
Im Falle eines Pflichtteilverzichts und einer Ausschlagung der Erbschaft erstreckt sich dieser im Zweifelsfall auch auf die Nachkommen. Ebenso wirkt sich eine Pflichtteilsminderung eines vorverstorbenen Pflichtteilsberechtigten auch auf die Nachkommen aus, wenn für diese ebenfalls die Voraussetzungen für eine Minderung des Pflichtteils gegeben sind. Der Pflichtteilanspruch, welcher nach § 759 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs beträgt, kann vom Pflichtteilsberechtigten gemäß § 763 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) in Form einer Geldzahlung eingefordert werden, wenn dieser nicht durch eine Zuwendung oder Schenkung gedeckt wird.
Ist der Pflichtteil auf diese Weise nicht zur Gänze gedeckt, kann eine Pflichtteilsergänzung eingefordert werden. Laut § 764 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) ist der Pflichtteilsanspruch von der Verlassenschaft und nach der Einantwortung von den Erben zu erfüllen. Der Pflichtteilsanspruch entsteht gemäß § 765 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) mit dem Tod des Erblassers, wobei der Geldpflichtteil erst ein Jahr nach dem Todesfall eingefordert werden kann. Zur Ermittlung des Pflichtteilanspruchs wird laut § 778 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) auf Antrag des Pflichtteilsberechtigten die gesamte Verlassenschaft genau beschrieben und geschätzt.
Dem Pflichtteilsberechtigten stehen Zinsen zu, bis der Geldpflichtteil erfüllt wird. Nach Einantwortung der Erbschaft kann gemäß § 823 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) eine Erbschaftsklage gegen den Erwerber der Verlassenschaft angestrengt werden. Mit Hilfe des Erbschaftsklage kann jede Person, die ein besseres oder gleichwertiges Erbrecht behauptet, das ihr zustehende Erbe einklagen.
Voraussetzung fürs Pflichtteil einklagen
Um seinen Pflichtteil einklagen zu können, muss die klagende Person tatsächlich pflichtteilsberechtigt sein. Pflichtteilberechtigte sind im Allgemeinen die Nachkommen, der Ehegatte oder eingetragene Partner des Erblassers. Die Enkel oder Urenkel des Erblassers haben jedoch nur dann einen Anspruch auf den Pflichtteil, wenn die vorhergehenden Nachkommen des Erblassers bereits verstorben sind. Darüber hinaus müssen die Pflichtteilsberechtigten folgende Voraussetzungen für eine Beanspruchung des Pflichtteils erfüllen:
- gesetzliche Erben, die nach der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt sind
- Keine rechtmässige Enterbung bzw. „Erbunwürdigkeit“
- Kein erfolgter Pflichtteilsverzicht
Diese Voraussetzungen müssen auch Enkel und Urenkel erfüllen, die an Stelle eines erbunfähigen, enterbten oder vorverstorbenen Nachkommen des Erblassers einen Pflichtteil einfordern möchten. Ein Pflichtteilverzicht und eine Ausschlagung der Erbschaft erstrecken sich im Zweifelsfall ebenso auf dessen Nachkommen. Dies gilt auch für eine Minderung des Pflichtteils, wenn diese ebenfalls die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsminderung erfüllen.
Ablauf der Durchsetzung von Pflichtteilansprüchen
Der Pflichtteilanspruch richtet sich vor der Einantwortung, also vor Übergabe des Nachlasses in den rechtlichen Besitz der Erben, gegen die Verlassenschaft. Nach der Einantwortung sind die Pflichtteilsansprüche hingegen gegen die Erben zu richten. So gibt es auch verschiedene mögliche Szenarien, wie die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen ablaufen kann. Im besten Fall besteht Einigkeit zwischen den Erben und den Pflichtteilsberechtigten, sodass diese bereits während des Verlassenschaftsverfahrens ein Pflichtteilsübereinkommen mit Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Gerichtskommissär schließen können, um die Pflichtteilsansprüche zu regeln.
Ist eine einvernehmliche Lösung im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens hingegen nicht möglich, bleibt nur noch der Weg einer Erbschaftsklage, mit welcher der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil einklagen kann. Eine Erbschaftsklage gegen Miterben kann erst nach der Einantwortung in die Wege geleitet werden. Weiters besteht die Möglichkeit, ein Pflichtteilsübereinkommen in Form eines außergerichtlichen Vergleichs zu schließen. Diese Option besteht noch nach erfolgter Einantwortung. Grundsätzlich ist ein Pflichtteilübereinkommen in jedem Fall anzustreben.
Muss ein Beteiligter das Erbe einklagen, kann sich dies über Jahre hinziehen. Eine Erbschaftsklage gegen Miterben sollte also nur angestrengt werden, wenn trotz aller Bemühungen keine einvernehmliche Lösung in Aussicht ist. Soviel zum allgemeinen Ablauf. Doch möchte der Pflichtteilsberechtigte sein Recht einfordern bzw. den Pflichtteil einklagen, stellt sich zunächst die Frage, wie dieser überhaupt berechnet wird. Informationen dazu und zum Erhalt bzw. zur Auszahlung des Pflichtteils folgen nun.
Berechnung der Höhe des Pflichtteils
Der Pflichtteil beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbanteils. Um diesen Anteil errechnen zu können, muss zunächst der Wert des Nachlasses feststehen. Während des Verlassenschaftsverfahrens können Pflichtteilsberechtigte eine Schätzung bzw. genaue Auflistung und Ermittlung des Nachlassvermögens (Aktiva inklusive etwaiger Immobilien etc.) fordern, um anhand dessen den Pflichtteilsanspruch zu berechnen – allfällige Schulden und die anteiligen Kosten für das Verfahren werden abgezogen.
Weigern sich die übrigen Erben, das Nachlassvermögen offenzulegen, so kann der Pflichtteilsberechtigte dies wenn nötig auf dem Klageweg durchsetzen. Auch eine Wertauskunft über die im Nachlass vorhandenen Gegenstände kann eingefordert werden. Die Erben können so unter Umständen dazu verpflichtet werden, Gutachten einzuholen – zum Beispiel um den Wert einer Immobilie zu ermitteln. Weiters kann der Pflichtteilsberechtigte ein notariell erstelltes Verlassenschaftsverzeichnis („Inventar“) fordern, um seinen Pflichtteilsanspruch durchzusetzen.
Der Pflichtteilsberechtigte kann neben einer Auskunft über Schenkungen des Erblassers an einen Erben den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Dabei wird der Wert der Schenkung der Verlassenschaft hinzugerechnet, so dass sich der Pflichtteil dementsprechend erhöht. Dies muss vom Pflichtteilsberechtigten jedoch ausdrücklich eingefordert werden. Zu beachten ist, dass der Erblasser diesen Ausgleich der Schenkungen mittels Testament oder Erbvertrag ausgeschlossen haben kann.
Gleichermaßen kann der Pflichtteil aber bereits durch Zuwendungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten gedeckt sein. Dabei kann es sich um Schenkungen zu Lebzeiten oder Zuwendungen von Todes wegen (Vermächtnis, Schenkung auf den Todesfall oder Erbvertrag) handeln, deren Wert der Höhe des Pflichtteilanspruchs entspricht. In dem Fall gilt der Pflichtteilsanspruch als erfüllt und es kann kein Geldpflichtteil mehr eingefordert werden. Liegt der Wert der betreffenden Zuwendung jedoch unter der Höhe des Pflichtteilsanspruchs, kann dies durch Auszahlung eines entsprechenden Geldpflichtteils ausgeglichen werden.
Pflichtteil einklagen und Auszahlung
Zwar entsteht der Anspruch auf den Plichtteil mit dem Ableben des Erblassers, der Geldpflichtteil kann jedoch erst nach einem Jahr eingefordert werden. Dennoch kann der Pflichtteilberechtigte schon vor Ablauf des Jahres den Pflichtteil einklagen. Er muss also nicht erst 1 Jahr lang warten, bis er das Erbe einklagen kann, sondern schon frühzeitig eine Erbschaftsklage in die Wege leiten. Auf die tatsächliche Auszahlung des Pflichtteils kann er jedoch erst nach 1 Jahr bestehen. Bis zur Auszahlung des Geldpflichtteils hat der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Zinsen in der Höhe von 4 % pro Jahr. Wird der Pflichtteil durch Zuwendungen des Erblassers gedeckt, kann er hingegen sofort in Anspruch genommen werden.
Können die Erben den Pflichtteil nicht sofort auszahlen ohne dass dies finanzielle Probleme zur Folge hätte, können diese eine Stundung oder Ratenzahlung verlangen. Nach maximal 5 Jahren muss der Pflichtteil jedoch in der Regel ausgezahlt worden sein. Eine Stundung bzw. Ratenzahlung kann auch vom Erblasser angeordnet worden sein. Doch kann der Pflichtteilsberechtigte auch gegen eine Stundung vorgehen wenn ihn die verspätete Auszahlung „unbillig hart träfe“.
Pflichtteil einklagen Kosten
Welche Kosten anfallen, wenn man das Erbe einklagen muss, hängt immer vom Einzelfall ab. Die Pflichtteil einklagen Kosten berechnen sich nämlich vor allem aus dem Streitwert und steigen deshalb entsprechend der Höhe des Nachlassvermögens. Dies gilt sowohl für die Gerichtsgebühren als auch für die Anwaltskosten.
Bei der Berechnung der Kosten für einen Rechtsanwalt kommt es zudem darauf an, wie umfangreich und zeitaufwändig der jeweilige Fall ist. Die Kosten variieren außerdem je nach Anwalt. Die Pflichtteil einklagen Kosten sind jedoch letztendlich von der Partei zu tragen, die im Verfahren unterliegt. Dennoch müssen die Kosten vor der gerichtlichen Entscheidung von jeder Partei selbst getragen werden. Stehen einer Person nicht genügend Mittel zur Verfügung, kann sie jedoch unter Umständen Verfahrenskostenhilfe in Anspruch nehmen.
Wie kann ein Anwalt für Erbrecht helfen?
Pflichtteilsberechtigte sind gefordert, aktiv auf die Durchsetzung des Pflichtteilanspruchs hinzuwirken und die erforderlichen Auskünfte über das Nachlassvermögen einzuholen. Auch die Anrechnung von Schenkungen des Erblassers an Miterben geschieht nur auf Initiative des Pflichtteilsberechtigten. Mit anwaltlicher Begleitung kann dieser seine Rechte bestmöglich geltend machen und alle hierfür notwendigen Schritte professionell umsetzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs, die sich insbesondere bei Schenkungen als kompliziert erweisen kann und daher fachkundiger Unterstützung bedarf.
Ein Rechtsanwalt für Erbrecht unterstützt Pflichtteilsberechtigte sowohl beim Pflichtteil einklagen als auch bei der Erarbeitung eines Pflichtteilsübereinkommens zwischen den Beteiligten, wobei letzteres immer vorzuziehen ist, um langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren zu vermeiden. Dabei kann ein Anwalt als Mediator fungieren und helfen, eine für alle Erben zufriedenstellende Lösung in Form eines außergerichtlichen Vergleichs herbeizuführen. Gelingt dies nicht, muss der Pflichtteilsberechtigte sein Erbe einklagen. Ein Rechtsanwalt informiert Sie über die in Ihrem Fall zu erwartenden Pflichtteil einklagen Kosten, leitet eine Erbschaftsklage ein und vertritt Ihre Interessen vor Gericht.
Finden Sie in unserer Anwaltssuche den passenden Anwalt
Finden Sie weitere Informationen rund um das Pflichtteilsrecht
Finden Sie in unserer Anwaltssuche den passenden Anwalt
- PDF Download