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Enterbung vs. Erbunwürdigkeit: Was (nicht) möglich ist!

Mag. Dr. Herbert Schrittesser im Interview

Eine Person oder einen nahen Angehörigen im Testament nicht zu nennen, kann jede/r Erblasser/in grundsätzlich selbst entscheiden. Diese Testierfreiheit wird jedoch durch das Pflichtteilsrecht eingeschränkt, welches Kindern und Ehegatten zwingend ein Mindestanteil am Nachlass gewährt. Wird auch dieser Pflichtteil entzogen, spricht man von einer Enterbung. Was hierbei der Unterschied zwischen Enterbung und Erbunwürdigkeit ist, erklärt Ihnen im Folgenden Rechtsanwalt Mag. Dr. Herbert Schrittesser, Erbrechtsexperte in Mödling.

Rechtsanwalt Dr. Herbert Schrittesser wurde im Jahr 1961 geboren. Seine Berufsentscheidung hat er bereits in der Mittelschule (Handelsakademie) getroffen. Schon damals wusste er für sich intern, dass er Rechtsanwalt werden will. Nach der Schule hat RA Dr. Schrittesser an der Karl-Franzens-Universität Graz Rechtswissenschaften studiert (Diplom- und Doktorratsstudium). Im Anschluss hat er die Gerichtspraxis gemacht und danach ist er bereits in der Anwaltei tätig geworden.
In der Zwischenzeit ist Dr. Herbert Schrittesser schon fast 34 Jahre „full time“ (selbstständiger) Rechtsanwalt. Sein Schwerpunkt besteht im Immobilienrecht. Der Anwalt arbeitet aber auch sehr viel im Zivilrecht, zu dem auch das Erbrecht gehört. Zu den weiteren Spezialisierungen zählen unter anderem das Zivilprozessrecht (Prozessführungen). Mag. Dr. Schrittesser hat nie einen anderen Beruf als Rechtsanwalt ausgeübt, sieht man von seiner zusätzlichen Berufsberechtigung als Immobilientreuhänder ab, die aber einen sehr engen Zusammenhang mit der anwaltlichen Arbeit im Immobilienbereich hat.

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Mag. Dr. Herbert Schrittesser

Rechtsanwalt für Erbrecht

Was heißt überhaupt „enterben“? Den Sohn im Testament nicht nennen?

Enterben heißt, den Erben das Erbrecht zu entziehen. Erbrecht muss insoweit im weiteren Sinne verstanden werden. Die Enterbung umfasst Folgendes:

  • Entzug des vertraglichen, gesetzlichen oder testamentarischen Erbrechtes
  • Entzug des Ersatz- und Nacherbrechtes
  • Entzug des Pflichtteilsanspruches
  • Entzug des Vermächtnisses

Das Übergehen eines Sohnes im Testament wird laienhaft manchmal als Enterbung verstanden. Rechtlich ist die Übergehung aber definitiv keine Enterbung. Wird der Sohn im Testament nicht als Erbe bedacht, steht ihm nämlich der gesetzliche Pflichtteil zu.

Was bedeutet das für den Pflichtteil? Welche Voraussetzungen bzw. Gründe benötigt es, damit ich sogar den Pflichtteil entziehen kann?

Bei einer (wirksamen) Enterbung bekommt der Erbe nicht einmal den Pflichtteil (der ansonsten nach dem Gesetz zwingend zusteht, unabhängig, wen der Erblasser im Testament als Erben einsetzt). Für eine Enterbung muss zwingend einer der folgenden Enterbungsgründe vorliegen:

  • Eine gerichtlich strafbare Handlung gegen den Erblasser, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.
  • Eine gerichtlich strafbare Handlung gegen den/die Ehegatten/in, eingetragene/n Partner/in, Lebensgefährten/in oder Verwandten in gerader Linie, gegen Geschwister des Erblassers und deren Kinder und gegen Ehegatten/in, eingetragene/n Partner/in oder Lebensgefährten/in sowie Stiefkinder des/der Verstorbenen, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.
  • Eine absichtliche Vereitelung des wahren Willens des Erblassers; hierbei reicht ein Versuch.
  • Der Erbe fügt dem Erblasser in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zu.
  • Der Erbe vernachlässigt gröblich seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Erblasser.
  • Eine lebenslange oder 20-jährige Freiheitsstrafe infolge einer oder mehrerer strafbarer Handlungen, die nur mit Vorsatz begangen werden können.

Der Enterbungsgrund muss für die Enterbung ursächlich sein, er muss also die Enterbungsentscheidung des Erblassers veranlasst haben. Ferner muss der Enterbungsgrund bei der Errichtung des letzten Willens vorliegen. Fällt der Enterbungsgrund nachträglich weg, beseitigt das die Enterbung nicht!

anwaltfinden.at: Was kann in diesem Zusammenhang unter „Enterbung in guter Absicht“ verstanden werden?

Bei einer Enterbung in guter Absicht hat der Erblasser die Sorge, dass der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil, den er bekommt, bald verlieren wird (Gefahr eines Vermögensverlustes). Verliert der Pflichtteilsberechtigte das Vermögen, gehen auch seine Kinder leer aus. Die Enterbung in guter Absicht will das verhindern. Voraussetzung ist eine Verschuldung und/oder ein verschwenderischer Lebensstil des Pflichtteilsberechtigten, der zur Gefahr führt, dass er das Vermögen verliert, welches er als Pflichtteil bekommt. Der Vermögensverlust muss nicht gewiss sein, die Wahrscheinlichkeit der Gefahr genügt. Sie muss aber beim Erbanfall – sprich, bei Ableben – noch gegeben sein.

Die Enterbung in guter Absicht darf nur zugunsten der Kinder des Pflichtteilsberechtigten erfolgen.

anwaltfinden.at: Wie bzw. wo kann ich eine Enterbung festhalten?

Die Enterbung muss in einer letztwilligen Verfügung (Testament) festgehalten werden. Zu empfehlen ist, dass die Enterbung schriftlich formuliert wird. Theoretisch ist aber auch eine stillschweigende Enterbung wirksam. Ob der Erblasser eine solche gewollt hat, muss dann durch Auslegung des Testamentes ermittelt werden.

anwaltfinden.at: Oftmals sind Enterbungen Folgen von familiären Konflikten. Kann ich denn eine Enterbung widerrufen, wenn ich mich beispielsweise wieder versöhne?

Bei – zum Beispiel – einer Versöhnung darf der Erblasser die Enterbung mit Widerruf oder Verzeihung auch aufheben. Zu empfehlen ist eine ausdrückliche schriftliche Erklärung. Wirksam ist aber auch ein stillschweigender Widerruf oder eine stillschweigende Verzeihung. Diese muss aber durch Auslegung ermittelt werden.

Wird ein Erbe enterbt, bekommt dieser auch keinen Pflichtteil, der ihm ansonsten gesetzlich zustehen würde.

Enterbung vs. Erbunwürdigkeit: Wann wird man erbunwürdig & ist man dann automatisch enterbt?

Erbunwürdig wird man, wenn ein Erbunwürdigkeitsgrund gesetzt wird. Zu unterscheiden sind folgende absolute und relative Erbunwürdigkeitsgründe:

Absolute Erbunwürdigkeitsgründe:

  • Eine gerichtliche strafbare Handlung gegen den Erblasser, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.
  • Eine absichtliche Vereitelung des letzten Willens des Verstorbenen (ein Versuch reicht aus) durch zum Beispiel Zwang oder arglistige Verleitung zum letzten Willen, Hinderung an der Erklärung oder Änderung des letzten Willens oder Unterdrückung eines bereits errichteten letzten Willens

Relative Erbunwürdigkeitsgründe:

  • Eine gerichtlich strafbare Handlung gegen den/die Ehegatten/in, eingetragene/n Partner/in, Lebensgefährten/in oder Verwandten in gerader Linie, gegen Geschwister des Erblassers und deren Kinder und gegen Ehegatten/in, eingetragene/n Partner/in oder Lebensgefährten/in sowie Stiefkinder des Verstorbenen, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.
  • Der Erbe fügt dem Erblasser in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zu.
  • Eine gröbliche Vernachlässigung der familiären Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gegenüber dem Verstorbenen.

Die relativen Enterbungsgründe kommen nur dann zum Tragen, wenn der Verstorbene keine Möglichkeit mehr gehabt hat, seinen potenziellen Erben zu enterben oder seine Erbenstellung (der Höhe nach) zu beschränken, weil er nicht mehr testierfähig war oder vom Vorliegen eines Enterbungsgrundes keine Kenntnis hat.

Liegt ein Erbunwürdigkeitsgrund vor, ist man nicht automatisch enterbt. Erforderlich ist vielmehr eine letztwillige Verfügung des Erblassers. Für eine solche muss er also noch testierfähig sein.

Bin ich für immer erbunwürdig?

Liegt ein Erbunwürdigkeitsgrund vor, ist man nicht für immer erbunwürdig. Der Erblasser darf verzeihen. Eine Verzeihung hebt somit die Erbunwürdigkeit auf.

Haben Sie womöglich einen letzten Tipp für unsere User, wenn es um das Thema Enterbung geht?

Empfehlenswert ist es, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Kontaktieren Sie hierfür eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin oder Notar/in, um eine schriftliche Erklärung errichten zu können, damit keine Zweifel bestehen. Denn Zweifel führen erfahrungsgemäß zu Streitigkeiten und Prozessen zwischen den Erben und Pflichtteilsberechtigten.

Durch Widerruf oder Verzeihung des Erblassers kann eine Enterbung oder Erbunwürdigkeit aufgehoben werden.

Fragen zum Thema Erbunwürdigkeit?
Rechtsanwalt Mag. Dr. Herbert Schrittesser informiert Sie ausführlich zu allen Themen rund um Erbunwürdigkeit, Enterbung & Co.

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